
Zwischen Tierwohl und Klimabilanz: Eine neue Herausforderung für Österreichs Geflügelwirtschaft
In der heimischen Geflügelhaltung gewinnt ein Thema zunehmend an Bedeutung: langsam oder langsamer wachsende Hühnerrassen. Sie stehen für mehr Tierwohl, bringen aber auch Herausforderungen mit sich – für Landwirte, Fleischer und die gesamte Lebensmittelkette. Seit den 1950er-Jahren wurden in der Geflügelmast gezielt Rassen gezüchtet, die besonders rasch und effizient Fleisch ansetzen. Heute steht jedoch nicht mehr nur die Mastleistung im Mittelpunkt. Tierwohl rückt stärker in den Fokus, und damit auch die Frage, ob langsam wachsende Rassen die Zukunft sind – oder ob sie neue Zielkonflikte eröffnen.
Was bedeutet „langsam wachsend“ überhaupt?
Eine klare Definition fehlt bislang. In der biologischen Geflügelproduktion gilt eine Tageszunahme von maximal 40 Gramm als Grenze. Klassische Mastlinien wie die in Österreich weit verbreitete „Ross 308“ legen hingegen täglich bis zu 70 Gramm zu und erreichen ihr Schlachtgewicht bereits nach rund 30 Tagen. Langsamere Rassen benötigen deutlich mehr Zeit – und damit auch mehr Ressourcen.
Mastform | Beispielrassen | Tageszunahme | Schlachtalter | Besonderheiten |
---|---|---|---|---|
Konventionell | Ross 308 | 60–70 g | ca. 30 Tage | Hohe Effizienz, geringer Futterverbrauch |
Tierwohl-Segment | Rowan Ranger u. ä. | 40–55 g | 40–50 Tage | Aktiver, fitter, höhere Lebensqualität |
Biologische Haltung | Hubbard JA757 | max. 40 g | ab 81 Tagen | Ökologisch zertifiziert, höchste Tierwohl-Standards |
Mehr Tierwohl – aber auch mehr CO₂?
Ein zentrales Argument für langsam wachsende Rassen ist die verbesserte Tiergesundheit. Die Tiere sind aktiver, zeigen weniger Haltungsprobleme und haben mehr Raum zur Entfaltung. Doch was dem Tier guttut, ist nicht automatisch besser fürs Klima: Die längere Mastdauer bedeutet höheren Futterverbrauch, mehr Platzbedarf und einen größeren CO₂-Fußabdruck pro Kilogramm Fleisch. Hannes Royer vom Verein Land schafft Leben bringt es auf den Punkt: „Diese Zielkonflikte müssen wir uns als Gesellschaft bewusst machen. Denn sie werden uns in Zukunft sehr intensiv beschäftigen.“
Österreichs Haltung: Ein Balanceakt
Die heimische Geflügelbranche hat sich in den letzten Jahren spürbar in Richtung Tierwohl weiterentwickelt – etwa durch strengere Haltungsauflagen und neue Tierwohl-Programme im LEH. Viele heimische Landwirte setzen inzwischen auf Programme mit höherem Standard, darunter auch langsam wachsende Rassen. Doch angesichts steigender Produktionskosten, wachsender Flächenkonkurrenz und des gesellschaftlichen Fokus auf Klimaschutz wird die Entscheidung nicht leichter.
Entscheidende Weichenstellung für die Zukunft
Langsamer wachsende Rassen sind kein Nischenthema mehr – sie symbolisieren den Wandel der Fleischproduktion. Für Österreichs Fleischer, Landwirte und Konsumenten stellt sich künftig immer öfter die Frage: Was ist mir wichtiger – maximale Effizienz oder mehr Tierwohl? Und wie lässt sich beides vielleicht doch vereinen?